Nein, nicht alles war früher besser. Vergleicht man etwa den Rumpelfußball, den unsere N11 um die Jahrtausendwende darbot, mit den bisweilen euphorisierenden Vorstellungen der heutigen Truppe (Sieben! Zu! Eins!), so trägt das Hier und Jetzt eindeutig paradiesische Züge. Richtet man seinen Blick hingegen auf den IT-Channel, sieht die Sache schon etwas anders aus. 9 von 10 Fachhändlern, Distris oder Service Providern dürften auf die Frage, ob es früher „besser“ gewesen sei, wahrscheinlich mit einem donnernden Ja antworten. Und die Situation wird nicht einfacher. Folgende Faktoren, die ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammengestellt habe, leisten dazu ihren Beitrag:
Die Eingangsbarrieren erhöhen sich
Zunehmend nachgefragte Dienstleistungen wie Managed Services, Big Data Analytics und Mobile Device Management verlangen vom Channel deutlich höhere Investitionen in Know-how und Technologie. Nicht alle etablierten Anbieter können oder wollen sich das leisten. Die Folge: Viele müssen sich aus dem Markt verabschieden, die Anzahl neuer Player stagniert oder sinkt, der Markt konsolidiert sich weiter.
Identitätsverlust
So attraktiv Cloudangebote für Anwender sind, so bedrohlich ist alleine die bloße Idee für den Channel. Wie schön waren doch die Zeiten, als man bei Microsoft MS Office Lizenzen für 450 Euro einkaufen und diese dann für 600 Euro an seine Endkunden veräußern konnte. Mit der Einführung von Office 365 zahlt der Endkunde nun eine monatliche Fee und hat Zugriff auf jede MS Software, die er gerade benötigt. Einen massiveren Anschlag auf die identitätsstiftende Rolle des Fachhandels als Mittler hat es in seiner Geschichte wohl noch nicht gegeben. Und eine wahrhaft tragfähige Antwort darauf müssen viele Reseller erst noch finden. Ob Beratung und Integrationsdienstleistungen dabei den Ausfall des Softwaregeschäfts gänzlich kompensieren können, dürfte gänzlich von der Kompetenz und der Fähigkeit zur Neuerfindung des einzelnen Anbieters abhängen.
Informierte Endkunden
In den seligen Prä-Internet-Zeiten war der Expertenstatus des Channels in Beton gegossen. Klar gab es auch damals „Checker“, die auf Augenhöhe mit ihrem Fachhandelspartner verhandeln konnten, aber das Wissens-Monopol lag in der Breite eindeutig beim Handel. Heute bieten unzählige Foren und Wikis Lösungen zu Problemen, die vormals nur mit externer Unterstützung zu bewältigen waren. Und sollte die Lösung in einer Hardware bestehen, nun, Amazon is just one click away …
Diese merkwürdige Generation Y
Eine perfekte Antwort auf alle geschilderten Problemfelder bestünde nun darin, einfach qualifizierte Problemlöser an Bord zu nehmen. Fatalerweise gibt der hiesige Arbeitsmarkt diese jedoch kaum her. Und hat man dennoch geeignete Kandidaten identifiziert, wird man häufig mit einer Erwartungshaltung konfrontiert, die sich von der Mentalität altgedienter Haudegen deutlichst unterscheidet. Hohe Einstiegsgehälter, ein Home Office und in jedem Einzelfall honorierte Überstunden zählen für die sogenannte Generation Y in aller Regel zu den nicht verhandelbaren Hygienefaktoren. Für den nach Verstärkung suchenden Inhaber eines Familienbetriebes hingegen sind sie ein weiterer Grund für massive Migräneattacken …
Also alles schlecht im Kanal? Natürlich nicht. So wie sich der deutsche Fußball nach den grausamen Kicks der Rumpelfüßler neu erfunden hat, so traue ich eine ähnliche Entwicklung auch dem Channel zu. Und die Rolle eines Klinsmann oder Löw fällt dabei vorrangig den Herstellern zu, die dabei aus reinem Eigeninteresse handeln müssen. Denn ohne starke Handelspartner dürften sie sich ganz schnell am Ende der offiziellen ITK-Weltrangliste wiederfinden …