Zwischen Weihnachten und Silvester des gerade vergangenen Jahres berichtete die Süddeutsche Zeitung über einen aktuellen Megatrend. Unter der Überschrift „Befallen von der Liebe zum Papier“ war dort von einer flächendeckenden Renaissance der Papeterien zu lesen, von denen eine nach der anderen in unseren Städten eröffnen würde und in denen sich zum Teil durchaus erheiternde Szenen abspielen würden. Zitat: „Im Pop Up Papier-Store in Köln … fragten neulich junge, schick gekleidete Leute nach Produkten von Letterpress. Hierbei handele es sich, erklärten sie der verblüfften Inhaberin Nicola von Velsen, um ein neues Druckverfahren aus Amerika. Deren Hinweis, „Letterpress“ sei das englische Wort für Buchdruck und diese in der Tat revolutionäre Technik habe ein gewisser Johannes Gutenberg bereits um das Jahr 1450 herum in Mainz erfunden, ließen sie nicht gelten. Nichts da, die Sachen von Letterpress seien total up to date, alles Unikate, in kleinen Manufakturen hergestellt. Das habe man auf Instagram gesehen.“
Womit unsere Papeterie-Besitzerin hier konfrontiert wurde, ist eine unterhaltsame Variante einer wahren Renaissance des Analogen, die sich schon seit längerem fast überall beobachten lässt:
- Die gute alte Schallplatte eilt von Jahr zu Jahr zu neuen Umsatzhochs.
- Magazine für die tot geglaubte Fotografie mit klassischen Kameras und Filmen füllen nach und nach wieder die Zeitschriftenregale von Supermärkten.
- In den USA sank der Umsatz mit E-Books in den ersten 9 Monaten des Jahres 2016 um 18,7 Prozent, während Taschenbücher und Hardcover im Vorjahresvergleich deutlich zulegten.
- Printangebote für digitale Fotos, Alben, digital designte Verpackungen, ja selbst für am Smartphone erstellte Postkarten schießen wie Pilze aus dem Boden.
Der Grund für diese nur auf den ersten Blick erstaunliche Entwicklung liegt wohl in der Natur des Menschen selbst: Wir sehnen uns nach sensorischen Erlebnissen, nach, im Wortsinn, Sensationen. Wir wollen sehen, riechen, fühlen, mit all unseren Sinnen erfahren. Und kaum ein anderes Produkt kann diese Sehnsucht besser erfüllen als Papier.
Ein unbedingt sehenswerter Werbespot eines französischen Herstellers von Toilettenpapier illustriert das auf hinreißende Art und Weise:
So unersetzlich digitale Dienste und Devices in unserem heutigen Alltag auch sein mögen – alles ersetzen können sie eben nicht. Wie im Clip gezeigt, berührt ein Post-it an der Kühlschranktür auf emotionaler Ebene einfach anders als ein digitaler Reminder auf dem iPad.
Im schnell wachsenden Markt für 3D-Druck finden sich übrigens ebenfalls immer mehr Lösungen, die dieser „Sehnsucht“ nach Haptik entgegenkommen. So können Eltern beispielsweise schon heute die auf einem Tablet erstellten Zeichnungen ihrer Kleinen als 3D-Modelle daheim ausdrucken.
Der von vielen prophezeite Untergang von Print wird also wohl auch in den nächsten Jahrzehnten nicht eintreten. Dafür spricht nicht nur die Tatsache, dass heute weltweit mehr Papier als jemals zuvor produziert und verbraucht wird (allein 2016 über eine halbe Milliarde Tonnen!), sondern in besonderer Weise auch der überall zu beobachtende Analog-Trend bei den Endverbrauchern.
Wenn selbst vollbärtige Hipster Gutenberg (wieder)entdecken, so sind das wahrlich keine schlechten Nachrichten für die Druckindustrie 😉