Alles, was wir tun, jeder einzelne Atemzug eines jeden von uns verändert die Welt ein kleines bisschen. Aber nur den Wenigsten ist die Möglichkeit gegeben, das Leben von vielen zum Besseren zu verändern. Damit so etwas geschehen kann, müssen drei Bedingungen aufeinandertreffen: Das Vorhandensein besonderer individueller Befähigungen und Talente, der Wille, diese zu weiterzuentwickeln und anzuwenden – und der Freiraum, dieses auch tun zu können. Bei Xerox kommen diese Bedingungen zusammen. In unseren Forschungszentren rund um den Globus geben wir hochbefähigten Wissenschaftlern die Zeit und die Ressourcen, ihre Träume von einer besseren Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen. Einige dieser „Agents of Change“ und ihre Projekte möchten wir im Schubkraft-Blog in loser Folge vorstellen.
Heute: Ajay Raghavan
Ajay Raghavan ist Wissenschaftler beim Palo Alto Research Center (PARC), einem Xerox Tochterunternehmen und weltweit führendem Forschungszentrum. Im Jahr 2012 begann Ajay mit der Arbeit an der Lösung eines Problems, mit dem wir alle schon in Berührung gekommen sind: Häufig vermelden Handy oder Laptop, dass der Akku nur noch 10 % der Ladung hat, und schaltet sich beim Start einer rechenintensiven Anwendung unvermittelt ab – um sich nach ein paar Minuten Wartezeit anstandslos wieder einschalten zu lassen. Der Grund: Das für die Überwachung des Zustands und der Beschaffenheit der Batterien zuständige Management arbeitet nur unzureichend. Was bei Mobilgeräten allenfalls lästig ist, kann bei industriellen Anwendungen oder sonstigen Großsystemen Schäden in Milliardenhöhe verursachen. Batterieprobleme bei der Boeing 787 haben die Luftfahrtindustrie beispielsweise über eine Milliarde Dollar gekostet. Zudem ist das mangelhafte Management von Akkus und Batterien dafür mitverantwortlich, dass die Einführung von Netzspeichern oder die flächendeckende Einführung der Elektromobilität nur sehr langsam vorankommt. Doch Ajay Raghavan, Absolvent des Indian Institute of Technology in Mumbai und ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Sensoren und intelligenten Strukturen, hatte eine Idee: Wie wäre es, wenn man faseroptische Sensoren in Batterien einsetzt, um ihre Managementsysteme zu verbessern?
Ajay Raghavan
Ajay hatte sich schon während seines Studiums sehr stark für Sensoren interessiert. Angeregt durch einen seiner Professoren begann er, sich intensiv mit der Idee intelligenter Strukturen und Systeme zu beschäftigen. Nach erfolgreichem Abschluss wechselte er an die University of Michigan und erforschte in einem NASA-finanzierten Doktorandenprojekt an der Übertragung dieser Ideen auf Luft- und Raumfahrtkonstruktionen. Da ihm der Zeitrahmen für die Einführung neuer Technologien in der Luft- und Raumfahrtindustrie jedoch viel zu lang war, sah er sich nach einem Umfeld um, in dem eine praktische Umsetzung schneller zu realisieren wäre. Und genau dieses Umfeld bot ihm das PARC.
Einer der dortigen leitenden Wissenschaftler, Dr. Peter Kiesel, arbeitete bereits an frühen Ideen zum Thema kostengünstiger, kompakter optischer Abtastungslösungen. Da Ajay diese sofort als eine Option zur Realisierung intelligenter Systeme und Strukturen erkannte, tat er sich mit Dr. Kiesel zusammen. Im Zuge ihrer Arbeit stießen sie darauf, dass die Advanced Research Projects Agency-Energy, kurz ARPA-E, eine Abteilung der Energiebehörde, die risikoreiche Projekte mit hohem Nutzen finanziert, an Möglichkeiten zur Zustandsbewertung von Batteriemanagementsystemen interessiert war. Ajay wies vorsichtig darauf hin, dass es möglicherweise eine gute Idee wäre, dafür Sensoren zu verwenden, die mehr könnten, als nur die bislang überwachten elektrischen Parameter Spannung, Strom und Temperatur zu überwachen und die so die volle Ausnutzung der Akkukapazitäten erlauben würden.
Seine Idee, dafür faseroptische Sensoren einzusetzen, stieß zunächst auf große Skepsis. Doch er konnte schließlich alle davon überzeugen, zumindest ein Konzeptpapier für ARPA-E einzureichen. ARPA-E zeigte vorsichtiges Interesse und regte an, die Partnerschaft mit einem Batteriehersteller zu suchen. Doch diese reagierten höchst ambivalent. Es sei zwar eine faszinierende Idee, aber viel zu risikobehaftet. Ajay und das PARC hatten sich schon damit abgefunden, das Projekt zu begraben, als sich kurz vor Ablauf einer von ARPA-E gesetzten Frist einer der Herstelle, die südkoreanische LG Chem Power, sich doch zu einer Zusammenarbeit entschloss. Und Bingo: Ajay und das PARC erhielten von ARPA-E vier Millionen Dollar für ein dreijähriges Projekt!
In der Folge arbeiteten Ajay und sein Team wie besessen und durchliefen zahllose Iterationen mit LG Chem Power, in denen immer wieder neue Ansätze gefahren werden mussten. Zwar überkamen Ajay ab und zu durchaus Zweifel an der Realisierbarkeit des Projektes, aber dank der Unterstützung von ARPA-E, LG Chem Power und des PARC-Managementteams konnte Ajay das Projekt SENSOR schließlich zum Erfolg führen: Er konnte nachweisen, dass mit dieser völlig neuen Technologie Messgenauigkeiten in einer bislang unbekannten Größenordnung realisiert und die Größe sowie die Kosten von Batteriemanagementsystemen auf einen Bruchteil reduziert werden können. Und als General Motors anschließend die SENSOR-Technologie in sein Batterielabor in Michigan holte, um dort in Härtetests die mögliche Kommerzialisierung der Lösung auf Herz und Nieren zu überprüfen, war dies für Ajay Raghavan die endgültige Bestätigung seiner langgehegten Visionen.