Von ca. 1870 bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts gab es den Beruf der Rohrpostbeamtin. Deren Tätigkeit bestand darin, kleine Pakete oder Briefe in Blechbüchsen per Druckluft durch Röhrenleitungen zu jagen bzw. entgegen zu nehmen. Die aufkommende Konkurrenz durch Postautos und Fernschreiber bereitete dem damaligen High Tech-System, der darum entstandenen Industrie und dem ehrbaren Beruf ein jähes Ende.
Das Schicksal der Rohrpostbeamtinnen teilten aufgrund der Industrialisierung und technischen Entwicklung der letzten 150 Jahre sehr viele Berufsbilder. Wann haben Sie beispielsweise das letzte Mal mit einem Stellmacher, Harzer, Köhler, Küfer oder Schriftsetzer gesprochen?
Warum ich das erzähle? Nun, wir dürfen mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass sich unsere jetzige Tätigkeit sehr bald schon in dieser Liste wiederfinden wird. Wofür die Industrialisierung noch Jahrzehnte brauchte, erledigt die rasante Digitalisierung unserer Lebens- und Arbeitswelt in Rekordzeit. Ganze Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle, die heute noch ein einträgliches Einkommen garantieren, sind massiv vom Aussterben bedroht. Nach einer aktuellen Untersuchung der Oxford University betrifft diese Bedrohung durch die digitale Transformation fast jeden zweiten Arbeitsplatz.
Dass es angesichts solcher Aussichten keine Option ist, mit dem Kälberstrick unter die Talbrücke zu ziehen oder sich in die tröstenden Arme Johnny Walkers zu begeben, hat seinerzeit schon die überwältigende Mehrheit der eingangs erwähnten Rohrpostbeamtinnen erkannt und sich intensiv mit Fernschreibern beschäftigt. Wir alle sollten diesem Beispiel folgen („Fernschreiber“ ist dabei selbstredend zu streichen ;-). Dass das nicht einfach wird, liegt auf der Hand: Die digitale Wirtschaft erfordert zu weiten Teilen andere Qualifikationen als das tradierte Know-how, welches wir uns in Ausbildung und beruflicher Praxis angeeignet haben. Aber selbst wir in Ehren ergrauten Kämpen können uns dieses neue Wissen verschaffen, oder?
Während wir können, müssen es unsere Arbeitgeber, wollen sie eine Zukunft haben. Und falls wir nicht bereit oder fähig sind, an der digitalen Agenda unserer Unternehmen mitzuschreiben, dann muss dieses Know-how eben in Form neuer Mitarbeiter hinzugekauft werden, während unsere Aussichten auf eine künftige Laufbahn als Köhler des Digitalzeitalters nicht schlecht stehen …
Nicht alle wollen und werden dabei mitziehen. Auch dazu gibt es Untersuchungen, denen zufolge sich 15 Prozent aller Mitarbeiter eines Unternehmens jedem Wandel verweigern. Aber dazu gehören Sie und ich ganz bestimmt nicht, oder?