Loslassen können, loslassen müssen

von Peter Kratky

Mittelständische Unternehmen bilden das Herz unserer Volkswirtschaft. Sie stehen für 40 Prozent aller erwirtschafteten Umsätze und sorgen für mehr als 50 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse. Dabei sind sage und schreibe 95 Prozent aller mittelständischen Unternehmen Familienbetriebe.
Leider stehen in vielen dieser familiären Betriebe die Zeichen auf Sturm. Der Grund: Das ungelöste Problem der Nachfolge des Firmenchefs. Dafür ist keineswegs ausschließlich ein Mangel an geeigneten Kandidaten verantwortlich, sondern das Selbstverständnis vieler Unternehmer, welches sie daran hindert, rechtzeitig eine Nachfolgeregelung ins Auge zu fassen. Der Boss, der seine Position nicht freiwillig abgeben will, wird so zum ultimativen Hemmschuh für eine rationale Nachfolgeregelung. Für die betriebliche Praxis hat das schlimme Folgen. Der Firmenchef überschreitet irgendwann die Grenzen seiner Belastbarkeit, geeignete Nachfolger erhalten weder Zeit noch Raum zur Entwicklung, Hektik. Chaos und Verunsicherung herrschen innen wie außen.

Wie es besser gemacht werden kann, zeigt das Beispiel eines mir bekannten Bürofachhändlers, bei dem die Nachfolge geradezu harmonisch geregelt werden konnte. Der dortige Chef kümmerte sich zunächst einmal um die Wiederherstellung einer ausgewogenen Work-Life-Balance. Den dadurch gewonnenen Abstand zu sich selbst und seiner festgefahrenen Rolle bezeichnet er heute als den wichtigsten Schritt dafür, dass ihm statt eines Absturzes tatsächlich ein erfolgreicher Absprung gelungen ist. Parallel beauftragte er einen externen Consultant, der ihn bei einer ganzen Reihe von Maßnahmen unterstützte. Dazu gehörte die Entwicklung eines Familienkonzepts, in dessen Zentrum die Gesamtkonzeption für die Weiterentwicklung aller Besitztümer seiner Familie stand. Zur Vermeidung eines drohenden Vakuums, welches in der Übergangsphase für Orientierungslosigkeit sorgen könnte, wurden ebenfalls die Firmenvision überarbeitet und neue Wachstumsziele definiert.

Und auch wenn es der scheidende Patriarch ursprünglich viel lieber gehabt hätte, dass sein Nachfolger aus dem eigenen Familienkreis stammen würde: in gemeinsamen Gesprächen mit dem Berater wurde klar, dass der Sohn wohl doch besser auf der Kunsthochschule aufgehoben wäre und man einen externen Manager in das Unternehmen holen sollte, um diesen konsequent als künftigen Unternehmensleiter aufzubauen. Dieses Partnerunternehmen hat den Wechsel an der Spitze nicht nur ohne große Turbulenzen geschafft, sondern steht heute noch besser als zuvor da!

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