Alles, was wir tun, jeder einzelne Atemzug eines jeden von uns verändert die Welt ein kleines bisschen. Aber nur den Wenigsten ist die Möglichkeit gegeben, das Leben von vielen zum Besseren zu verändern. Damit so etwas geschehen kann, müssen drei Bedingungen aufeinandertreffen: Das Vorhandensein besonderer individueller Befähigungen und Talente, der Wille, diese zu weiterzuentwickeln und anzuwenden – und der Freiraum, dieses auch tun zu können. Bei Xerox kommen diese Bedingungen zusammen. In unseren Forschungszentren rund um den Globus geben wir hochbefähigten Wissenschaftlern die Zeit und die Ressourcen, ihre Träume von einer besseren Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen. Einige dieser „Agents of Change“ und ihre Projekte möchten wir im Schubkraft-Blog in loser Folge vorstellen.
Marzieh Nabi, Wissenschaftlerin am Xerox PARC
Unter Komorbidität versteht man ein weiteres Krankheitsbild oder Syndrom, das zusätzlich zu einer Grunderkrankung vorliegt. Obwohl rund ein Viertel aller Erwachsenen an mehreren chronischen Erkrankungen leidet und der Anteil bei Menschen über 65 Jahren auf zwei Drittel anwächst, ist erstaunlicherweise nur wenig über Komorbidität und deren richtige Behandlung bekannt. Marzieh Nabi, Wissenschaftlerin am Xerox PARC, ist auf dem besten Wege, das zu ändern. Der Auslöser für ihr möglicherweise revolutionäres Projekt ist dabei tragisch: Die Krebserkrankung ihres Vaters.
Immer schon an der Lösung komplexer mathematischer Probleme interessiert, begann Marzieh im Iran ein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik, während dessen ihr Vater einen durch einen Hirntumor verursachten Anfall erlitt. Die Diagnose belastete sie schwer und sie fragte sich, ob sie den einmal eingeschlagenen Weg ändern und stattdessen zur medizinischen Fakultät wechseln sollte. Letztlich entschied sie sich jedoch, an dem eingeschlagenen Weg festzuhalten und sich im Ingenieursstudium relevante Kenntnisse anzueignen. Von ihrem todkranken Vater ermutigt, beschloss Marzieh, in die USA umzusiedeln und in Seattle in Luftfahrttechnik zu promovieren. Leider verschlimmerte sich in dieser Zeit das Krankheitsbild des Vaters dramatisch: Zum Krebs kam eine Herzerkrankung hinzu, und damit nicht genug wurde bei ihm auch noch chronische lymphatische Leukämie festgestellt.
Marzieh Nabi
Trotz ihrer Konzentration auf Luftfahrttechnik verstand Marzieh die eingetretene Komorbidität Ihres Vaters als ein komplexes Problem, das es zu lösen galt. Sie zog Parallelen zwischen ihrem Studium, dem menschlichen Körper und der Gesundheitsversorgung: Es gehen in allen Fällen immer darum, Systeme zu beobachten und herauszufinden, wie sie funktionieren, sie in mathematischen Modellen darzustellen, neue Systeme zu entwickeln und bestehende Systeme zu optimieren. Als sie eines Tages von einem befreundeten Arzt von einer Datenbank mit allen medizinischen Daten von Personen mit Komorbidität erfuhr, war ihr schnell klar, dass dies von immenser Bedeutung sein könnte. Ihr Bekannter schlug eine Analyse der Daten vor, um Einblick in das Auftreten der verschiedenen Krankheitsverläufe zu gewinnen und mehr über deren Wechselwirkung herauszufinden. Der Zugang zu dieser Art von Daten war der Wendepunkt in Marziehs Laufbahn als Wissenschaftlerin. Endlich konnte sie ihr analytisches Denken einsetzen, um nicht nur ihrem Vater, sondern jedem mit mehreren chronischen Erkrankungen zu helfen.
Zunächst nur in ihrer Freizeit mit ihrem neuen Projekt beschäftigt, ergab sich nach ihrer Doktorarbeit die Möglichkeit, als Forschungswissenschaftlerin bei PARC in Vollzeit an dem Problem zu arbeiten. Ihr gelang es, ihr Anliegen zu einem Xerox-Forschungsprojekt zu machen, welches schnell einen Durchbruch erreichte, als Marzieh über eine anderes Xerox Projekt Zugang zu einem anonymisierten Datensatz von neun Millionen elektronischen Krankenakten erhielt. Dieser gewaltige Pool an Informationen ermöglichte ihr die Erforschung einer Reihe vielversprechender medizinsicher Anwendungen von künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und Systemwissenschaft, darunter beispielsweise der Einsatz sogenannter „Inferenzstatistiken“, die zu besseren Richtlinien für eine bessere klinische Entscheidungsfindung führen. Auch wenn Marzieh laut eigenen Worten erst an der Oberfläche von Big Data im Gesundheitswesen kratzt und sich immer wieder neue Herausforderungen auftun, etwa jene, die Ärzte davon zu überzeugen, Algorithmen zu vertrauen – sie ist fest davon überzeugt, mit ihrer Arbeit im PARC dazu beizutragen, völlig neue Behandlungsmethoden für Komorbidität zu entwickeln. Leider kommen diese Durchbrüche für Marziehs Vater zu spät, der 2014 seiner Krankheit erlag. Aber seine ständige Ermutigung und Unterstützung motiviert seine Tochter bis heute, ihre Arbeit im PARC fortzuführen.